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Das selbsternannte Untersuchungsgericht (Kommentar)

Ist bei all dem Streit noch zu erkennen, um wen es wirklich geht? (Foto: Robert Nyman on Unsplash)

Kommentar zum Beschluss des Generalkonferenz-Exekutivausschusses auf der Herbstsitzung (Annual Council) in Battle Creek

Am 14. Oktober 2018 hat der Exekutivausschuss der Generalkonferenz (Weltkirchenleitung) der Siebenten-Tags-Adventisten ein Verfahren beschlossen, mit dem die Einhaltung von Kirchenbeschlüssen sichergestellt und durchgesetzt werden soll (s. APD-Bericht). Was eher wie ein verwaltungstechnischer Akt klingt, dürfte weitreichende Folgen für das Arbeitsklima, die Diskussionskultur und letztlich für das kirchliche und theologische Selbstverständnis unserer Kirche haben – und sie sogar auf den Kopf stellen.

Parallelen zur Debatte über die Ordination von Frauen

Bei dem Ergebnis gibt es eine auffällige Parallele zur Abstimmung über die Ordinationsfrage: 58,44 Prozent der Delegierten stimmten auf der Generalkonferenz-Vollversammlung 2015 in San Antonio dagegen, dass regional unterschiedliche Lösungen bei der Ordination von Frauen zum Pastorendienst zugelassen werden. Mit praktisch identischem Ergebnis (rund 59 Prozent) votierten die Ausschussmitglieder jetzt für die Annahme des Dokuments. Weltweit gesehen gibt es also eine knappe, gleichwohl stabile Mehrheit adventistischer Repräsentanten, die über bestimmte Fragen anders denkt, als viele Adventisten in Europa, Nordamerika und Australien. Dass hier eher kulturelle als theologische Einflüsse eine Rolle spielen, wurde vereinzelt thematisiert (beispielsweise im Beitrag „Salz und Licht“, Adventisten heute, Septemberausgabe 2015, nachzulesen unter dem Shortlink https://bit.ly/2yDbj8F). Aber dieser kulturelle Einfluss auf die Lesart der Bibel ist bislang meist ignoriert und kaum näher erforscht worden. Auch die überwältigenden Belege dafür, dass der Heilige Geist genauso durch Frauen wie durch Männer wirkt, spielten in der Ordinationsdebatte 2015 kaum eine Rolle, obwohl das Wirken des Geistes die Antwort Gottes auf die umstrittene Frage auf dem Apostelkonzil (Apg 15) war, ob auch Nichtjuden ohne das Bundeszeichen der Beschneidung gerettet werden. Wenn wir nicht auf das Wirken des Heiligen Geistes achten und es ernst nehmen, werden wir immer wieder an unseren intellektuellen, kulturellen und traditionellen Grenzen scheitern. Und wenn man sich in manchen Fragen nicht einigen kann, sollte unsere Kirche eine gewisse Vielfalt tolerieren. Wäre es an dieser Stelle – auch direkt während der Herbstsitzung – nicht weiser gewesen, einen Modus zu finden, der das gegenseitige Verständnis unterstützt, sodass echte geistliche Einheit wächst? Der Geist wird zeigen, wo es hingehen soll.

Einheit durch Zwang – gute Nacht

Statt Einheit zu schaffen, wird Misstrauen gefördert, und daran ändern auch die verschleiernden Formulierungen nichts; sie rufen zu Verdächtigungen, Bespitzelungen und Anklagen auf. Dadurch wird vermittelt, dass Einheit durch administrative Verfahren geschaffen und nicht als geistliche Qualität verstanden wird. Insofern heißt es konsequenterweise nun Compliance (Einhaltung von Vorschriften bzw. Konformität) statt Unity (Einheit). Offenkundig traut man dem Heiligen Geist nicht zu, ein ausreichendes Maß an Einheit herzustellen und will ihn daher mit administrativen Verfahrensweisen einhegen oder ihm zuvorkommen. Vielleicht lässt sich dieses „er weht, wo er will“ (nach Joh 3,8) doch ein wenig beeinflussen?

Katholisierung der Weltkirche?

In den letzten Monaten gab es auf beiden Seiten des Meinungsspektrums deutliche Kommentare. Manche Befürworter des Compliance-Verfahrens sehnen eine „Sichtung“ förmlich herbei, um die Gemeinde zu „reinigen“, manche Gegner setzen den Beschluss mit Babylon aus der Offenbarung gleich und befürchten eine Katholisierung der adventistischen Weltkirche. Es geht schon lange nicht mehr nur um die Frage, wer ordiniert werden darf, sondern um das kirchliche und organisatorische Selbstverständnis der Siebenten-Tags-Adventisten: Sind wir konsensorientiert oder autoritär? Zentralistisch oder föderal? Hierarchisch oder kooperativ? Welche Stellung haben Verbände? Wie hoch wird die persönliche Gewissensfreiheit der Gemeindeglieder und Angestellten geschätzt?

Wie geht’s weiter?

War dieser Beschluss eine Weichenstellung für eine zentralistische, autoritär geführte Kirche? Mehrere Szenarien sind denkbar: Entweder erfüllt sich das Motto „Es wird nichts so heiß gegessen, wie es gekocht wird.“ und die Wirkung hält sich in Grenzen (vielleicht auch, weil manche Divisionen den Beschluss kritisch sehen und ihn deshalb gar nicht oder nur halbherzig umsetzen). Oder man schnürt das Korsett erwünschten Wohlverhaltens im Laufe der Zeit immer enger, sodass mit der Zeit alle Aktivitäten von Gemeinden, Institutionen und auch Gemeindegliedern mit den prüfenden Augen unerbittlicher Richter betrachtet werden, denen es nicht darum geht, ob dadurch Gott verherrlicht wird oder Menschen zu Christus finden, sondern vor allem, ob sie mit den selbst gesetzten Compliance-Regeln völlig übereinstimmen. Es ist zu erwarten, dass dadurch unterschiedliche Auffassungen stärker hervortreten und derlei Debatten die Gemeinden noch mehr spalten und von ihrem eigentlichen Auftrag ablenken, als es ohnehin schon der Fall ist – auch wenn genau das Gegenteil beabsichtigt sein mag.

Kirche ganz weltlich

Die Kirche der Siebenten-Tags-Adventisten scheint in ihrer Entwicklung in eine Phase eingetreten zu sein, in der sie sich immer weniger von anderen säkularen und kirchlichen Institutionen unterscheidet. Dort werden Probleme nicht selten durch „Machtworte“ oder vermeintlich „einfache“ Lösungen unsichtbar gemacht. Bei der Generalkonferenz-Vollversammlung 2010 hatte man mit „Erweckung und Reformation“ noch eine geistliche Agenda. Jetzt versucht man es mit menschlichen Mitteln. Möglicherweise stehen die „Übrigen“  in der Gefahr, sowohl ihr Zentrum – Jesus Christus – als auch ihren Körper – die Gemeindeglieder – aus dem Fokus zu verlieren; und das zugunsten eines Systems, das ohne diese beiden nur eine leere, tote Hülle ist.

Jessica Schultka (Leiterin des Advent-Verlags), Thomas Lobitz (Chefredakteur Adventisten heute)

aktualisiert am 21.11.2018

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Kommentare
  • Danke

    Danke Euch für dieses hervorragende Statement - Ihr trefft meine Meinung zu 100%
    Wir beschäftigen uns viel zu sehr mit uns selbst und verlieren dabei unseren Auftrag uns um DEN ANDEREN zu kümmern

  • Widerspruch zur Überschrift

    Liebe Geschwister Schultka und Lobitz.

    Kurz gesagt: Stellt das Problem Frauenordination und Folgen, vom Kopf wieder auf die Beine. Was soll die Überschrift :" Vorweggenommenes Untersuchungsgericht"? Wie sollte denn die GC Leitung reagieren, wenn Unionen einen einstimmigen Beschluss der GC Vollversammlung ignorieren , und Pastorinnen ordinieren?
    ( Ich bin für Ordination, wohlgemerkt!)
    Wann wurden in den Jahren vor 2015 bis heute Pastorinnen in den Vereinigungen und Verbänden in Deutschland gefördert und berufen?
    Danke, Schw. Schultka für Verlagsleitung und present als ein provozierendes Magazin. Wie kommt es in den Gemeinden an?
    Bitte haltet Euch mit weiteren Kommentaren zurück, sonst spaltet Ihr uns bundesrepublikanische Adventisten.

    Segenswünsche und Gebet

    Dieter Achatz

  • Wer hat Probleme mit Compliance?

    Als ehemaliger Compliance Officer kann ich nur sagen, dass Probleme mit Compliance nur die diejenigen haben, die sich an die allgemeinen festgesetzten Regeln der Organisation nicht halten wollen, meinen immer sie sind eine Ausnahme und beanspruchen für sich die "Ausnahmen und Freiheiten", die ihnen persönlich besser gefallen und passen. Keine Organisation in dieser Welt kann sich einen solchen "Wunschkonzert" erlauben, wenn Sie auf Dauer bestehen will. Auch wenn es uns nicht gefällt und die Mehrheitsentscheidung nicht in unserem Sinne ist, ist es vermessen, zu behaupten, dass Gott diese Entscheidung nicht lenkte, obwohl wir im Vorfeld darum beteten. Warum dieses Jammern? Wo ist Euer Vertrauen, dass Gott Eure Gebete hört und das Volk Gottes führt?

  • Es ist höchste Zeit für eine Reformation meiner Freikirche!

    Vielen Dank für diesen sachlichen, aber dennoch sehr zutreffenden Kommentar!

    Ich bin 37 Jahre Mitglied dieser Freikirche und stelle vermehrt fest, wie aus einer anfänglichen Bewegung, die nicht anderes als ausschließlich nach der Wahrheit in Gottes Wort geforscht hat, in 170 Jahren eine Kirche mit festgefahrenen Dogmen geworden ist. Wir entwickeln uns zu einer Institution, die mittlerweile Züge des Papsttums annimmt. Meine Identifikation mit dieser Freikirche kommt Stück für Stück abhanden. Ich wünsche mir eine sabbathaltende Glaubensgemeinschaft, die Einheit in Vielfalt wirklich ermöglicht. Das hat unsere Freikirche viele Jahrzehnte stark gemacht. Ich erkenne davon zu meinem großen Bedauern so gut wie nichts mehr.

    Die Apostel haben vor 2000 Jahren Konventionen wie die Beschneidung über Bord geworfen. Wir schaffen trotz Veränderungen in unserer Gesellschaft nicht, Frauen und Männern den gleichen Status in unserer Kirche zu geben. Stattdessen werden Sanktionen beschlossen. Woher nehmen wir das biblische Prinzip für derartige Sanktionen? Jesus hat keinen Unterschied in der Behandlung beider Geschlechter gemacht. Wir halten durch „global-demokratische“ Prozesse an Paradigmen fest, die unsere Gesellschaft in der „westlichen Welt“ nur bis zum 19. Jahrhundert geprägt haben. Warum ist es nicht möglich, solche Nebensächlichkeiten (weil keine Relevanz für Glauben!) auf Ebene von Divisionen oder Verbänden zu regeln? Ich verstehe es nicht!

    In meiner Jugend wurde beim Abendmahl kontrovers über Einzel- und Gemeinschaftskelch gestritten. Manche Gemeinden sind an dieser Frage zerbrochen. Mit weiteren Erkenntnissen über Hygiene ist das heute nirgends mehr Thema. Warum kommen wir in anderen Themen nicht voran, die mit unserem eigentlichen Glauben und der Theologie überhaupt nichts zu tun haben? Jesus hat uns die Aufgabe übertragen, die wirklichen Kernthemen wie Erweckung und Mission tatkräftig voranzubringen - und nicht krampfhaft an überholten Prinzipien zu klammern. Die Apostel und die Reformatoren der Neuzeit wären auf biblischer Grundlage flexibler als wir es heute sind. Es ist höchste Zeit für eine Reformation meiner Freikirche!

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