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Bibelwissen zum Anfassen

Das Bibeldorf in Rietberg bei Gütersloh vermittelt einen Eindruck davon – und kann helfen, die Heilige Schrift besser zu verstehen. (Foto: Screenshot http://www.bibeldorf.de/home.html)

Wie hat Jesus gelebt? Wie sah es im Heiligen Land aus, als er dort predigte und Wunder wirkte? Das Bibeldorf in Rietberg bei Gütersloh vermittelt einen Eindruck davon – und kann helfen, die Heilige Schrift besser zu verstehen. idea-Redakteur David Wengenroth hat es besucht.

Wenn an einem Julinachmittag die Hitze brütend über dem Bibeldorf liegt, fühlt es sich ein bisschen so an, als hätte man eine Zeitreise gemacht. An den staubigen Wegen stehen ockergelbe Häuser, wie sie wohl vor 2.000 Jahren in den Dörfern Galiläas ähnlich aussahen. In einem von ihnen sind Holzscheite,    Hämmer und eine Hobelbank ausgestellt, wie der Zimmermann Josef aus Nazareth sie benutzt haben dürfte. In einem anderen liegen Kissen und Decken auf einem erhöhten Absatz. In solchen Hütten  wurden im unteren Teil Schafe und Ziegen gehalten, erzählt die Geschäftsführerin des Bibeldorfs, Eva Fricke. Der obere Teil diente als Wohnraum. Abends wurde der Hausrat zur Seite geräumt, und die Bewohner legten sich nebeneinander zum Schlafen auf den Boden.

„Wer das Alltagsleben der Menschen vor 2.000 Jahren in Israel kennenlernt, bekommt einen anderen Zugang zu den biblischen Geschichten“, erklärt Fricke. Sie ist katholische Theologin und hat lange als Religionslehrerin gearbeitet. Mit solchem Wissen könne man die Texte der Bibel und ihre Bedeutung besser verstehen, sagt sie und zeigt auf zwei flache, runde Steine. So habe zum Beispiel eine Mühle ausgesehen, mit der Körner zu Mehl zermahlen wurden. Wer das einmal gemacht habe, verstehe, dass es im Vaterunser bei der Bitte um das „tägliche Brot“ um eine existenzielle Frage ging. Brot war damals das Hauptnahrungsmittel. Und das Mehl zu mahlen, den Teig zu kneten und dann auf einem heißen Blech über dem Feuer das Brot zu backen – „das war richtig Arbeit“, so die Pädagogin.

Mit so einer Getreidemühle fing die Geschichte des Bibeldorfs in Rietberg an. Frickes Ehemann Dietrich brachte sie von einer seiner vielen Reisen nach Israel mit. Der Pfarrer der Evangelischen Kirchengemeinde Rietberg hat in Israel studiert und führt seit Jahrzehnten Touristengruppen als Reiseleiter. Dabei stellte er immer wieder fest, dass er im Heiligen Land auf ein interessiertes Publikum stieß, wenn er biblisches Wissen vermittelte. In Deutschland dagegen fanden seine Zuhörer dieselben Informationen dagegen meistens zum Gähnen langweilig. Die Frickes überlegten, wie man den Menschen auch in Deutschland etwas zum Anfassen geben könnte. So wurde die Idee für das Bibeldorf geboren. Die Getreidemühle wurde der Grundstock für das außergewöhnliche Freilichtmuseum.

Maschinenraum wurde zur Synagoge

Das Projekt nahm Fahrt auf, als die Stadtverwaltung von Rietberg dem Ehepaar 2003 das Gelände des stillgelegten Klärwerks zur Verfügung stellte – für einen symbolischen Betrag von 100 Euro im Jahr. Zusammen mit ihrer Jugendgruppe bauten sie den ehemaligen Maschinenraum zur Synagoge um. Das Vorbild waren antike Synagogen in Massada und Kapernaum.

Seitdem wächst das Bibeldorf Jahr für Jahr. Zur Synagoge kamen Hütten, Werkstätten und Beduinenzelte nach historischen Vorbildern. Außerdem eine Mehrzweckhalle, die einer historischen Basilika nachempfunden ist. Und Ausstellungen über die Bibel, über jüdisches Leben damals und heute,  über archäologische Grabungen in Jordanien und und und ... Im Bibeldorf gibt es mehr zu betrachten, zu erforschen und zu bestaunen, als in einen Zeitschriftenartikel hineinpasst. Seit 2006 arbeitet es mit dem Deutschen Evangelischen Institut für Altertumswissenschaft des Heiligen Landes in Hannover zusammen, das im Nahen Osten archäologische Grabungen durchführt. 2008 waren die Frickes selbst für viereinhalb Monate auf archäologischer Exkursion in Jordanien und Israel.

Gebaut nach wissenschaftlichen Erkenntnissen

Nach den Forschungsergebnissen des Instituts wird in Rietberg gebaut. Diese wissenschaftliche Basis ist wichtig, erklärt Eva Fricke. Das Bibeldorf soll nicht einfach ein bunter Themenpark zur Bibel sein, sondern ein religionspädagogischer Lernort. Pro Jahr kommen in der Saison von April bis Oktober bis zu 180 Schulklassen aus Hessen, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen.

„Wir haben einen erlebnisorientierten und erfahrungsbezogenen Ansatz“, erklärt die Religionspädagogin. Dabei gehe es nicht nur um historisches Wissen, sondern darum, den Schülern ein besseres Verständnis des christlichen Glaubens zu vermitteln. Dafür sei es wichtig, das Bibelwissen zu den Fragen und Erlebnissen der Jugendlichen in Beziehung zu setzen. Beispiel: Als 2015 die Flüchtlinge aus Syrien kamen, hätten viele Schüler gefragt, wie das Leben im Orient eigentlich aussieht. Im Bibeldorf lernten die jungen Menschen darüber hinaus etwas über die Grundlagen der demokratischen Gesellschaft. „Ohne Grundwissen über Religion und die Bibel kann ich nicht vermitteln, was mit dem christlichen Menschenbild gemeint ist“, sagt Fricke.

Ein Ort für missionarischen Gemeindeaufbau

Für Einzelbesucher öffnet das Bibeldorf jedes Jahr zwischen April und Oktober. Gruppen können sich auch für Führungen außerhalb der Öffnungszeiten anmelden. Der ganze Betrieb kann nur funktionieren, weil rund 120 ehrenamtliche Mitarbeiter regelmäßig mithelfen. So gibt es eine Gruppe von 15 Ehrenamtlichen, die Schulklassen über das Gelände führen. Dazu kommen rund 40 Jugendliche, die selbst „im Bibeldorf großgeworden sind“ und jetzt die Führungen für Kommunionkinder- und Konfirmandengruppen machen. Eine weitere Gruppe von 12 Ehrenamtlichen führt  Erwachsenengruppen durch das Bibeldorf. Darüber hinaus werden fast alle Arbeiten ehrenamtlich erledigt – vom Putzen über den Dienst an der Kasse bis hin zu Renovierungsarbeiten an den Gebäuden. Fricke: „Wir können hier jeden mit seinen persönlichen Fähigkeiten brauchen.“

Dadurch sei das Bibeldorf auch ein gutes Instrument für missionarischen Gemeindeaufbau. „Wir erreichen zum Beispiel über die Möglichkeit, sich hier mit handwerklichen Fähigkeiten einzubringen, viele Menschen, die lange Zeit keinerlei Bezug zur Kirche hatten.“ Das Gelände des Bibeldorfs gehört mittlerweile der Kirchengemeinde, der Betrieb wird von der eigens gegründeten Bibeldorf GmbH geführt. Eva Fricke hängte 2014 ihren Beruf als Religionslehrerin an den Nagel und konzentriert sich seitdem ganz auf die Arbeit als Geschäftsführerin. Für die Gemeinde ist das Bibeldorf ein zusätzliches Zentrum geworden. So findet im Sommer der Konfirmandenunterricht auf dem Gelände statt. Es dient als Kulisse für die Aufführung von Kinderbibelmusicals, Passions- und Krippenspielen, Adventsmärkten.

„Im Mai 2003 haben wir hier im Matsch den ersten Gottesdienst gefeiert“, erinnert sich Eva Fricke. In der Synagoge, die 2003 als erstes Gebäude ausgebaut wurde, wird seit damals fast jeden Sonntagabend eine Andacht gehalten. Anfangs kam nur eine Handvoll Teilnehmer, inzwischen sind es jede Woche um die hundert und mehr.


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