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100 Jahre Reform-Adventisten

("Adventisten heute"-Aktuell, 22.8.2014) Mit dem Besuch der Stätten des Reformators Martin Luther in Erfurt, Eisenach, Wittenberg und Naumburg begann das Gedenken an "100 Jahre Reform-Adventisten" der Internationalen Missionsgesellschaft der Siebenten-Tags-Adventisten Reformationsbewegung (IMG). An der Bildungsreise vom 11. bis 15. August nahmen etwa 30 Personen teil.

"Roter Ochse" - Gedenkstätte für Opfer zweier deutscher Diktaturen

Am 15. August fand eine Führung durch die Gedenkstätte "Roter Ochse" mit anschließender Andacht im Hinrichtungsraum in Halle/Saale statt. Die Königlich-Preußische "Straf- und Besserungsanstalt" gab es seit 1842. 1933 wurde der "Rote Ochse" in den NS-Strafvollzug eingegliedert. Von 1942 bis 1945 seien dort 549 Todesurteile an Menschen aus 15 Ländern Europas durch Fallbeil oder Erhängen vollstreckt worden. Ab Juli 1945 diente der Gebäudekomplex der sowjetischen Besatzungsmacht zur Inhaftierung tatsächlicher und vermeintlicher NS-Belasteter sowie für Menschen, die sie als politische Gegner verfolgte. Hier seien von sowjetischen Militärtribunalen "Hunderte Unrechtsurteile" gefällt worden. Im Herbst 1950 übernahm das Ministerium für Staatsicherheit (MfS) der DDR Teile des "Roten Ochsen" und richtete eine Untersuchungshaftanstalt (UHA) ein. Bis 1989 seien dort etwa 8.100 Männer und 1.600 Frauen inhaftiert worden. Im Dezember 1989 endete die Existenz der MfS-UHA. Seit dem 15. Februar 1996 befindet sich dort eine Gedenkstätte für die Opfer politischer Verfolgung vermeintlicher und tatsächlicher Regimegegner zweier deutscher Diktaturen.

Günter Pietz als Kriegsdienstverweigerer hingerichtet

Stellvertretend "für viele andere treue Christen" befassten sich die etwa 30 Teilnehmer der Bildungsreise mit dem kurzen Leben von Günter Pietz und den Umständen seiner Enthauptung im Hinrichtungsraum des "Roten Ochsen". Ines Müller stellte die Frage: "Wer war Günter Pietz?" Er wurde am 4. Juli 1925 in Chorzow, Kreis Königshütte, im heutigen Polen, geboren. Schon als 12-Jähriger fiel er in seiner Schule auf. Seine Begeisterung für die Bibel und die Reformation Martin Luthers brachte ihm den Spitznamen "Kleiner Prophet" und den Ärger des katholischen Religionslehrers ein, der seinen "Bibeleifer" bremsen wollte. Seine Eltern waren gläubige Katholiken, bevor sie sich 1937 den "Reform-Adventisten" anschlossen. So lernte Günter auch die Bedeutung des Sabbats (Samstag) als den von Gott bei der Schöpfung eingesetzten und später im vierten Gebot verankerten Ruhetag kennen und schätzen. Bereits im Alter von 15 Jahren wurde er von der Gestapo verhört und gefoltert, weil er nicht bereit war, am Samstag in einer Fabrik zu arbeiten. Ein Jahr später kam er aus demselben Grund für zehn Wochen in das KZ Auschwitz.
Mit erst 17 Jahren wurde Günter Pietz als Kanonier zur Deutschen Wehrmacht eingezogen. Er lehnte jedoch den Führereid ab und weigerte sich am 30. April 1943, eine Waffe in die Hand zu nehmen. Daraufhin wurde er in der Kaserne verhaftet. Der Versuch, ihn umzustimmen, schlug fehl. Der Inhaftierte berief sich auf die Bibel und sein Gewissen. Das Urteil des 1. Senats des Reichskriegsgerichts (RKG) vom 6. August 1943 lautete: Todesstrafe wegen Wehrdienstverweigerung. Der Präsident des RKG, Admiral Max Bastian, bestätigte am 8. September das Urteil und ordnete die Vollstreckung an. Am 27. September 1943 gegen 17 Uhr wurde Günter Pietz im "Roten Ochsen" in Halle/Saale durch Enthaupten hingerichtet. Auf dem Totenschein stand: "Plötzlicher Herztod, Atemstillstand."
Nach der Biografie folgte eine Lesung aus dem Todesurteil und den letzten Briefen von Günter Pietz an seine Eltern, vorgetragen von Gerhard Köbele und Jens Müller. Pastor Gustavo Castellanos, Vorsteher der Deutschen Union der Internationalen Missionsgesellschaft der Siebenten-Tags-Adventisten Reformationsbewegung (IMG), betonte, dass sich Günter Pietz nicht als "Held" betrachtete habe. "Er wollte nicht zeigen, wie gut er als Christ ist. Seine Glaubenstreue kam durch seine Liebe zu Christus und zu seinen Mitmenschen." Nur dadurch habe er "Gott bis zum Tod treu sein können". Seine Briefe zeigten, dass Gott in solch schweren Stunden hierzu die nötige Kraft schenken könne. "Reformation ist ein Ruf zurück zu den Wurzeln". Auch heute würden Männer und Frauen benötigt, die sich nicht kaufen und verkaufen ließen, sondern sich für das Recht einsetzten, hob Castellanos hervor.

Als Christ auf Kurs bleiben

Zum internationalen Sabbat-Gottesdienst am 16. August kamen in die Jugendherberge Naumburg/Saale etwa 80 Mitglieder und Gäste. Sie waren aus Deutschland, Italien, Spanien, Rumänien, Polen, den USA, Costa Rica und Peru angereist. "Eine Erweckung - unser größtes Bedürfnis" lautete das Predigtthema von Pastor Francesco Domenico Caputo, Direktor der IMG in Europa. Eine Reformation, wie jene von Martin Luther, führe zu einer größeren Treue Gott gegenüber. Doch zuvor habe Luther erleben müssen, dass er mit guten Werken nicht vor Gott bestehen könne. Nur durch den Opfertod Jesu am Kreuz gebe es Erlösung. Nur Gott könne dem Menschen einen neuen Geist, neue Gedanken und ein neues Herz schenken, um sein Leben an Gottes Geboten auszurichten. Die Ernsthaftigkeit eines Christen könne nachlassen, sodass es einer Erneuerung, einer Erweckung bedarf. Es gelte, als Christ auf Kurs zu bleiben und sich an Gott und seinem Wort zu orientieren.

Entstehung der Reform-Adventisten

Nach einem gemeinsamen Mittagessen befasste sich Pastor Gustavo Castellanos mit der Entstehung der Reform-Adventisten vor 100 Jahren. Er hob hervor, dass die Siebenten-Tags-Adventisten schon bei ihrer Gründung in den USA im Jahr 1863 während des Amerikanischen Bürgerkrieges (1861-1865) Kriegsdienstverweigerer gewesen wären. In Europa hätten dagegen die Adventisten der Einberufung zum Militär Folge geleistet. Doch für ihre Weigerung, am Sabbat (Samstag), dem biblischen Ruhetag, Militärdienst zu leisten, wären viele Adventisten teilweise zu langen Haftstrafen verurteilt worden.
Als der Erste Weltkrieg ausbrach, habe die deutsche Leitung der Adventisten am 2. August 1914 in einem Rundschreiben an alle Adventgemeinden in Deutschland erklärt: "Soweit wir im Heer stehen oder ins Heer eintreten müssen, [sollten wir] unsere militärische Pflicht freudig und von Herzen erfüllen ... Aus Josua 6 ersehen wir, dass die Kinder Gottes von den Kriegswaffen Gebrauch gemacht und auch am Sabbat den Kriegsdienst versehen haben." Ähnliche Erklärungen seien später auch gegenüber den Behörden abgegeben worden.
Besonders die Bereitschaft, auch am Sabbat Militärdienst zu leisten, habe zu vielfältigen Protesten in den Gemeinden geführt, so Castellanos. Da die deutsche Leitung der Adventisten ihren Standpunkt verteidigt habe, sei es zu Ausschlüssen und Austritten gekommen. Castellanos sprach auch von einer "Verfolgung" der Ausgeschlossenen. Manche adventistischen Pastoren hätten diese bei den Behörden als "antimilitaristische Propagandisten" angezeigt, und die Geistlichen seien bei Gerichtsprozessen als Zeugen aufgetreten. Die Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten in Deutschland habe sich in der Erklärung "Schuld und Versagen" vom April 2014 für ihr damaliges Verhalten bei den Reform-Adventisten entschuldigt. "Das ist eine großartige Sache", betonte Castellanos. Die Entschuldigung sei zwar sehr spät erfolgt, doch "besser spät als nie".
Der Vorsteher der deutschen Union der IMG unterstrich, dass die Ausgetretenen und Ausgeschlossenen damals noch keine Mitglieder der Reform-Adventisten gewesen seien. Die IMG hätte sich erst im Dezember 1919 als eingetragener Verein organisiert. Doch der Auslöser zur Vereinsgründung wäre die Erklärung der deutschen Leitung der Siebenten-Tags-Adventisten vom 2. August 2014 zum Kriegsdienst gewesen. Deswegen blicke jetzt die IMG auf eine hundertjährige Geschichte zurück. (APD)


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