„Gewalt und Radikalität − Aktuelle Herausforderungen für die Prävention“, lautete das Schwerpunktthema des 23. Deutschen Präventionstages am 11. und 12. Juni in Dresden. In der kongressbegleitenden Ausstellung von rund 150 Fachorganisationen war auch wieder die Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten mit einem Informationsstand vertreten.
Nein zur Gewalt gegen Frauen
Die Abteilung „Frauen“ der Freikirche informierte in Dresden über das gemeinsam mit der Adventistischen Entwicklungs- und Katastrophenhilfe ADRA seit 2009 durchgeführte weltweite Projekt „enditnow – Sag nein zur Gewalt gegen Frauen“. Auch die Theologische Hochschule der Siebenten-Tags-Adventisten in Friedensau bei Magdeburg weiß sich in den Fachbereichen Christliches Sozialwesen und Theologie den Themen Prävention und Intervention bei den unterschiedlichen gesellschaftlichen Erscheinungsformen von Gewalt verpflichtet, so Angelika Pfaller, Leiterin der Abteilung „Frauen“ der Freikirche in Deutschland. Am Stand informierte ein Faltblatt mit dem Titel „Sag nein zu häuslicher Gewalt“ darüber, dass Missbrauch nicht nur körperliche Gewalt bedeute. Missbrauch beginne bereits mit Handlungen, die einen Verlust des Selbstwerts und der Selbstbestimmung nach sich zögen, etwa durch Kritik, Beschimpfung oder Isolation.
Sexueller Gewalt begegnen
Am Stand wurde auch auf die Handreichung der Freikirche für Haupt- und Ehrenamtliche in der Kinder- und Jugendarbeit „Sexueller Gewalt begegnen“ hingewiesen. Sie ist in deutscher, englischer und russischer Sprache erhältlich. „Jeder einzelne ist aufgerufen, die Würde und den Wert jedes Menschen zu achten und alle Arten von Gewalt zu verurteilen, das Schweigen zu brechen, nach Lösungswegen zu suchen und sich auch für die Beendigung von körperlicher, seelischer und sexueller Gewalt einzusetzen“, betonte Angelika Pfaller. Hierfür hätten die Adventisten einen Fachbeirat eingerichtet, der sich mit sexueller Gewalt innerhalb der Freikirche befasse.
Vom Fachbeirat „Sexueller Gewalt begegnen“ und dem Religionspädagogischen Institut der Siebenten-Tags-Adventisten sei zudem das Faltblatt „Wenn ich mal nicht weiterweiß“ zur Thematik erstellt worden mit Infos und Tipps für Kinder. Auch der Flyer „Sexuelle Gewalt gegenüber Kindern erkennen, verhindern und bewältigen“ möchte laut Angelika Pfaller dazu Hilfestellung geben. Außerdem wurde auf den „Orange Day“, dem Internationalen Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen, hingewiesen, der 1999 von der UNO ausgerufen und jährlich am 25. November begangen wird. Weitere Informationen im Internet unter www.enditnow.de und www.sexueller-gewalt-begegnen.de.
Hilfe für genitalverstümmelte Frauen
Ein Faltblatt, das am Stand in Englisch und Deutsch auslag, gab einen Einblick in das „Desert Flower Center“ am adventistischen Krankenhaus „Waldfriede“ in Berlin-Zehlendorf. Dort erhalten Frauen mit Genitalverstümmelung (Female Genital Mutilation – FGM) seit 2013 medizinische sowie psychosoziale Hilfe und Betreuung (Infos unter www.dfc-waldfriede.de). Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) würden täglich 8.000 Mädchen durch die sogenannte rituelle Beschneidung der weiblichen Genitalien verstümmelt. Weltweit gebe es 150 Millionen beschnittene Frauen und Mädchen. FGM werde nicht nur in bestimmten Ländern Afrikas oder Asiens praktiziert. Selbst in Deutschland lebten 50.000 Opfer mit Genitalverstümmelung. In Kenia unterstützt ADRA Deutschland das „Kajiado Rescue Centre“ zum Schutz minderjähriger Mädchen vor Zwangsheirat und Genitalverstümmelung. Infos gab es auch zum Übernachtungshaus für wohnungslose Frauen in Leipzig, eine Einrichtung des Advent-Wohlfahrtswerks der Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten (www.obdachlosenhaus.de).
Gemeinsam für Flüchtlinge
Ein weiteres Faltblatt informierte über das adventistische Aktionsbündnis „Gemeinsam für Flüchtlinge“. Laut René Fechner, Regionalkoordinator für Mittel- und Südamerika von ADRA Deutschland, müssten Menschen in ihren Heimatländern wieder eine Perspektive bekommen. Deshalb führe ADRA weltweit Hilfsprojekte für Flüchtlinge durch.
Das Aktionsbündnis „Gemeinsam für Flüchtlinge“ wurde 2015 gegründet und vereint vier Partner, die institutionsübergreifend zusammenarbeiten: die Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten in Deutschland, die Adventistische Entwicklungs- und Katastrophenhilfe ADRA Deutschland, das Advent-Wohlfahrtswerk (AWW) und die Theologische Hochschule Friedensau. Sie bündeln die jeweiligen Kompetenzen und Ressourcen mit dem Ziel, adventistische Kirchengemeinden (Adventgemeinden) und AWW-Helferkreise in ihrem ehrenamtlichen Engagement für geflüchtete Menschen und deren Integration in die Gesellschaft zu begleiten und unterstützen. Dafür stünden auch finanzielle Mittel bereit. Die Freikirche in Deutschland hat zudem unter dem Titel „Flucht, Migration und christlicher Dienst“ eine theologische Handreichung herausgegeben, die Impulse zur ethischen Orientierung biete. Es gebe auch in Deutschland eine Vielzahl von Flüchtlings- und Integrationshilfeprojekten von Adventgemeinden und Helferkreisen des AWW, so Pastor Michael Götz, Bundesbeauftragter für Flüchtlingshilfe des Advent-Wohlfahrtswerks.
Internationaler Informations- und Erfahrungsaustausch
Der Deutsche Präventionstag (DTP) habe sich laut Erik Marks, Geschäftsführer des DTP, in über zwei Jahrzehnten zum inzwischen weltweit größten Jahreskongress für Kriminalprävention und angrenzender Präventionsbereiche entwickelt. Der Kongress in Dresden umfasste aber nicht nur das Schwerpunktthema „Gewalt und Radikalität – Aktuelle Herausforderungen für die Prävention“. Das Spektrum reichte von der Suchtprävention über die Verkehrsprävention bis hin zu verschiedenen Präventionsbereichen im Gesundheitswesen. Die Veranstaltung bot mit mehr als 600 Referentinnen und Referenten, davon über 200 ausländische aus insgesamt 51 Staaten eine internationale Plattform zum interdisziplinären Informations- und Erfahrungsaustausch in der Prävention.
Gutachten für den 23. Deutschen Präventionstag
Der DTP hatte zum Kongressthema ein Gutachten von Professor Dr. Dirk Baier erstellen lassen. Baier ist Leiter des Instituts Delinquenz und Kriminalprävention an der ZAHW Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften. Das Gutachten zeigt den aktuellen Forschungsstand und die resultierenden Präventionsperspektiven in Hinblick auf extremistische Gewalt und Radikalität auf. Die Publikation ist in Abstimmung mit einem Expertenkolloquium beim ersten Heiligenberger Gespräch am Bodensee am 23. Februar 2018 entstanden.
„Gewalt und Radikalität sind Themen mit hoher Aktualität und zugleich Themen, die die Bevölkerung verunsichern“, so Baier. Dabei könne aber von einem starken Anstieg dieser Phänomene derzeit nicht gesprochen werden, auch wenn einige dramatische Ereignisse ein anderes Bild erweckten, betonte der Gutachter. „Die Prävention von Gewalt und Radikalität ist in Deutschland bereits gut entwickelt. Zugleich bedarf es zukünftig weiterer Anstrengungen zu neuen Extremismusformen und den politischen Willen, Prävention breit zu unterstützen.“ Wünschenswert sei zudem, dass die politischen und gesellschaftlichen Diskurse zum Extremismus sensibel geführt würden, um Stigmatisierung und Ausschluss ganzer Bevölkerungsgruppen nicht zu befördern. Die von Bundesinnenminister Horst Seehofer vorgestellte Polizeiliche Kriminalstatistik zeige, dass Gewaltdelikte 2017 im Vergleich zum Vorjahr zurückgegangen seien. Deutschland wäre also ein Stück weit sicherer geworden. „Dieser Trend ist ebenfalls bei extremistischen Straftaten zu beobachten“, informierte der Professor.
Der Deutsche Präventionstag sei laut Erich Marks der Meinung, dass bei der Entwicklung von Kriminalprävention immer auch die menschliche Handlungsfreiheit mitgedacht werden müsse. Menschen- und Bürgerrechte dürften nicht auf Kosten von effektiver Prävention eingeschränkt werden. Dirk Baier zeige Präventionsprojekte auf, die zu einer sicheren Gesellschaft beitragen und dabei demokratische Verfahren und die damit verbundene Werteordnung berücksichtigen. Das Gutachten bestätige, dass Forschung unter Berücksichtigung von Dunkelfeldstudien und anderer empirischer Studien die ideale Basis für effektive Präventionsarbeit darstellten, so Marks.