(“Adventisten heute”-Aktuell, 21.5.2010) Sie ist die älteste ökumenische Initiative auf dem Gebiet der christlichen Sozialarbeit: die Konferenz für kirchliche Bahnhofsmission in Deutschland. Am 13. Mai feierte die von Katholiken und Protestanten getragene Einrichtung mit einem Gottesdienst auf dem Ökumenischen Kirchentag in München ihr 100-jähriges Bestehen. An rund 100 Bahnhöfen engagieren sich über 2.000 meist ehrenamtliche Mitarbeiter für die tausenden Reisenden, die jeden Tag mit der Bahn unterwegs sind. Tobias-Benjamin Ottmar stellt die Arbeit vor.
In Berlin fing alles an
Die erste evangelische Bahnhofsmission wurde 1894 von Pfarrer Johannes Burckhardt (1853-1914) in Berlin gegründet. Der Dienst richtete sich zunächst vor allem an Frauen, die im Zuge der Industrialisierung in die Stadt zogen. Auf der Suche nach Arbeit gerieten sie oft an unseriöse Männer, die den jungen Frauen einen Job und Unterstützung bei der Unterbringung anboten. Letztendlich endeten solche Angebote oft in Ausbeutung und Prostitution. Davor wollte Burckhardt zusammen mit dem “Internationalen Verein der Freundinnen junger Mädchen” die Frauen bewahren. Bereits 1897 eröffnete in München die erste katholisch-evangelische Bahnhofsmission. 13 Jahre später wurde die Arbeit im gesamten Deutschen Reich mit der Gründung der “Konferenz für Kirchliche Bahnhofsmission in Deutschland” auf eine gemeinsame Grundlage gestellt.
In der DDR verboten
Bis 1993 gab es in den neuen Bundesländern noch keine Bahnhofsmission. Denn während des SED-Regimes war die Arbeit verboten. Nach der Wiedervereinigung im Jahr 1990 konnte sie dort erst Schritt für Schritt aufgebaut werden. Heute ist die Bahnhofsmission im Osten an neun Orten vertreten.
Die jüngste Bahnhofsmission
Vor einem Jahr wurde am Wuppertaler Hauptbahnhof die jüngste Bahnhofsmission Deutschlands gegründet. Die Bilanz fällt positiv aus: Jeden Monat leiste man rund 2.000 Dienste – vom Tragen des schweren Gepäcks bei meist älteren und behinderten Personen, über die Vermittlung von Hilfsangeboten bis hin zu tiefen, seelsorgerlichen Gesprächen. Träger der Bahnhofsmission Wuppertal sind der Caritasverband Wuppertal/Solingen und die Diakonie Wuppertal. An anderen Orten wie in Berlin, Hamburg oder Freiburg gehören auch die Evangelischen Stadtmissionen zu den Trägern.
Bahn stellt Räume kostenlos zur Verfügung
Maßgebliche Unterstützung bekommt die Bahnhofsmission von der Bahn. Sie stellt nämlich die Räumlichkeiten in den Bahnhöfen kostenlos zur Verfügung. Nur kurz war das friedliche Miteinander etwas gestört, als 2001 der damalige Bahnchef Hartmut Mehdorn forderte, Obdachlose aus Bahnhöfen fernzuhalten. Die Bahnhofsmissionen sollten zu diesem Zweck ihre Essensausgabe einstellen, so Mehdorns Wunsch. Daraufhin protestierten Diakonie und Caritas. 2004 wurde der Konflikt beigelegt.
Anstieg der Hilfesuchenden
2008 halfen die Mitarbeiter rund 2,2 Millionen Personen. Davon waren 335.000 zwischen 18 und 27 Jahre alt – ein Plus von 70 Prozent gegenüber 2007. Als Grund für diesen Anstieg wird unter anderem der steigende Anteil von jungen Hartz-IV-Empfängern genannt. 30 Prozent der Hilfesuchenden in dieser Altersgruppe hätten finanzielle Probleme gehabt, heißt es in dem Statistikbericht der Bahnhofsmission. Viele der Ratsuchenden leiden zudem unter psychischen Problemen. Gegenüber 2007 stieg die Zahl der Gäste mit psychischen Erkrankungen um 30 Prozent auf über 230.000. Ursache dafür sind nach Ansicht der Bahnhofsmission wachsende Mehrfachbelastungen sozial benachteiligter Personen. Arbeits- und Wohnungslose, Suchtmittelabhängige und isolierte Menschen seien erheblich stärker belastet als andere Bevölkerungsgruppen. Betroffene werden an Fachdienste weitervermittelt, von denen sie dann professionelle Hilfe bekommen können. (idea)
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Internetpräsenz der Bahnhofsmission: www.bahnhofsmission.de