Wir aber sagen den Menschen, dass Christus am Kreuz für uns sterben musste, auch wenn das für die Juden eine Gotteslästerung ist und für die Griechen blanker Unsinn.
1. Korinther 1,23 (Hoffnung für alle)
Noch unbegreiflicher als die Menschwerdung des Gottessohnes ist sein Tod am Kreuz. Schon damals war es anstößig, fantastisch und dumm, von einem Gott zu reden, der als Verbrecher gekreuzigt worden war. Das hat bis heute nichts von seiner Anstößigkeit verloren – auch für uns nicht. Tatsache aber ist, dass wir uns auch daran gewöhnt haben. Wie oft kommt das “Wort vom Kreuz” in unseren Gebeten und Predigten vor! Was denken wir uns dabei? Sind wir von diesem Geschehen noch wirklich betroffen? Das Blut von Jesus schafft neues Leben, aber das regt den Durchschnittschristen weniger auf, als wenn er erfährt, dass ein entfernter Verwandter Dank einer Bluttransfusion gerettet worden ist.
Was ist aus dem Kreuz auf Golgatha geworden? Ein Wandschmuck, der den Kirchenraum verschönert? Es soll aber mehr sein als Dekoration, nämlich: ein Symbol des Fluches und der Schande! Niemand würde auf den Gedanken kommen, einen Galgen oder einen elektrischen Stuhl in der Kirche aufzustellen. Aber genau das war das Kreuz, an dem Jesus starb!
Auch Jesu Kreuzestod haben wir mit einem Glorienschein umgeben und darüber vergessen, dass er brutal und anstößig war. Und was am unbegreiflichsten ist: Gott selbst hat diesen Anstoß in die Welt gestellt, denn was damals geschah, war kein Zufall! Gott hat das so gewollt. Das ist der eigentliche Anstoß – nicht die Verblendung der damaligen Geistlichkeit, nicht der Justizmord, den Pilatus beging, nicht der unmotivierte Hass des Pöbels, der heute “Hosianna” schreit und morgen “Kreuzige ihn”.
Es ist gefährlich, wenn wir anfangen, uns mit dem Kreuz einzurichten, ohne uns ständig daran zu stoßen. Will Gott nicht gerade damit zeigen, dass er unsere Schuld nicht auf die leichte Schulter nimmt? Wir sollen wissen, dass seine Gerechtigkeit Genugtuung verlangt – das bedeutet den Tod! Aber wir sollen auch erfahren, dass Gott trotz allem unsere Freundschaft will – das bedeutet Leben. Seine Gerechtigkeit lässt es nicht zu, Schuld einfach “unter den Teppich” zu kehren, deshalb ließ er stellvertretend für uns das Gericht über sich selbst ergehen. Damit wir das nicht zu selbstverständlich hinnehmen, hat uns Gott den Anstoß des Kreuzes in den Weg gestellt. (Günther Hampel)