Menü
Sie sind hier:

Krankenhaus Waldfriede hilft Frauen mit Genitalverstümmelung

Von: ADVENT VERLAG Datum Beitrag: 13.09.2013 Kommentare: Keine Kommentare Tags:

(“Adventisten heute”-Aktuell, 13.9.2013) Das adventistische Krankenhaus Waldfriede in Berlin-Zehlendorf steht an vorderster Front bei der medizinischen Versorgung von Frauen, die Opfer einer Genitalverstümmelung (englisch: Female Genital Mutilation, FGM) geworden sind.

Feierliche Eröffnung mit zahlreichen Persönlichkeiten

Am Mittwoch, 11. September, wurde dazu ein medizinisches Zentrum eröffnet – das so genannte “Desert Flower Center” – in Kooperation mit der in Wien ansässigen Desert Flower Foundation. Es ist weltweit das erste Zentrum dieser Art, in dem Frauen mit Genitalverstümmelungen Hilfe in Form eines ganzheitlichen Angebots aus wiederherstellender Chirurgie und psychosozialer Betreuung erhalten. Die Leitung des Zentrums hat der Chirurg und Chefarzt Dr. Roland Scherer übernommen, der kürzlich von der Zeitschrift HÖRZU zu einem der besten 100 Ärzte Deutschlands gekürt wurde.
Bernd Quoß, Geschäftsführer des Krankenhauses Waldfriede, konnte zahlreiche Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens begrüßen, die kurze Grußworte sprachen, darunter Sir Simon Rattle, Dirigent der Berliner Philharmoniker, Thomas Heilmann, Senator für Justiz und Verbraucherschutz, MdB Karl-Georg Wellmann, Staatssekretärin Barbara Loth und Bruno Vertallier, Präsident der Kirchenleitung der Siebenten-Tags-Adventisten in Mittel- und Südeuropa. Schriftliche Grußworte schickten Frank-Walter Steinmeier, ehemaliger Bundesaußenminister und amtierender Vorsitzender der SPD-Fraktion im Bundestag, und Mario Czaja, Berliner Senator für Gesundheit und Soziales.

Waris Dirie ( Wüstenblume ): “Ein Traum ist wahr geworden”

Die Desert Flower Foundation wurde 2002 gegründet und geht auf das Wirken des ehemaligen Topmodels Waris Dirie zurück, die auch Schirmherrin des Desert Flower Centers in Waldfriede ist. Sie stammt aus Somalia und wurde als kleines Mädchen an ihren Genitalien verstümmelt. Ihr Buch Wüstenblume (englisch: desert flower) und der gleichnamige Film haben vor einigen Jahren das Schicksal der schätzungsweise weltweit 150 Millionen davon betroffenen Frauen ins Blickfeld der Weltöffentlichkeit gerückt. In ihrem Grußwort bedankte sie sich bei allen Medizinern, die dazu beitragen, das Leiden der betroffenen Frauen zu lindern. Bei der Eröffnung des Desert Flower Centers sagte sie in ihrer Ansprache: “Ein Traum ist wahr geworden.”

Vom Vater vor der Genitalverstümmelung bewahrt

Evelyn Brenda, Mitarbeiterin der adventistischen Entwicklungs- und Katastrophenhilfeorganisation ADRA, die sich ebenfalls seit vielen Jahren gegen die Genitalverstümmelung engagiert, beschrieb ihre Erfahrungen mit dem Thema und berichtete über ihre erfolgreiche Arbeit in Kaijado (Kenia), wo durch schulische Bildung und Aufklärung die Stellung der Frauen verbessert und die Genitalverstümmelung zurückgedrängt wird. Sie selbst sei als einzige Frau ihrer Familie von diesem Ritual verschont geblieben, weil ihr Vater es nicht wollte. “Dafür bin ich ihm noch heute unendlich dankbar”, sagte sie.

Lebenslang schmerzliche Folgen

Bei der Genitalverstümmelung werden den etwa dreijährigen Mädchen die Klitoris sowie häufig auch die inneren und äußeren Schamlippen abgeschnitten. Die Wunde wird so vernäht, dass nur eine kleine Öffnung für den Ausfluss des Urins verbleibt. Die Mädchen leiden dabei unvorstellbare Qualen und haben – wenn sie es überleben – oft lebenslang mit den Folgen zu kämpfen: Inkontinenz, Fisteln, Schließmuskelverletzungen. Auch Geschlechtsverkehr und Geburten sind nur unter großen Schmerzen möglich. Die medizinischen Behandlungsmöglichkeiten betroffener Frauen wurden bei der Eröffnungsveranstaltung in einem Fachvortrag von dem Pariser Chirurgen Pierre FoldÃẀs erläutert, einem Pionier auf diesem Gebiet.

50.000 Frauen in Deutschland betroffen

In vielen Kulturen Afrikas, des mittleren Ostens und Zentralasiens ist die Tradition der Genitalverstümmelung (die manchmal beschönigend “Frauenbeschneidung” genannt wird) noch sehr lebendig und wird von den Müttern an die Töchter weitergegeben. Auch in Deutschland sind schätzungsweise etwa 50.000 Menschen davon betroffen, meist mit Migrationshintergrund. An sie richtet sich das Angebot des Desert Flower Centers in Waldfriede in erster Linie.

Aufklärung und Bildung vor Ort notwendig

Die Gründe für eine Genitalverstümmelung würden nach Ansicht der Gynäkologin Dr. Gabriele Halder darin liegen, dass man seine Töchter von allem Geschlechtlichen fernhalten wolle. Zudem gelte das Ritual zuweilen als eine Art Statussymbol. Diese Ansicht äußerte sie auf einer Podiumsdiskussion bei der Eröffnungsveranstaltung des Desert Flower Centers. Weitere Diskussionsteilnehmer waren Mediziner, Politiker, der Leiter der Desert Flower Stiftung, Walter Lutschinger, und eine FGM-Patientin. Die Runde war sich darüber einig, dass Aufklärung und Bildung vor Ort der beste Weg sei, um Genitalverstümmelungen künftig zu verringern. Wenn Väter mitbekämen, was ihre Töchter durchmachten müssen, wendeten sie sich fast immer gegen dieses Ritual, so einschlägige Erfahrungen, die berichtet wurden. Auch müsse den Menschen die Sinnlosigkeit der Genitalverstümmelung bewusst gemacht werden.
Das Desert Flower Center hat sofort seine Arbeit aufgenommen, zwei Patientinnen aus Dschibuti und Äthiopien wurden bereits einen Tag nach der feierlichen Eröffnung operiert. (Thomas Lobitz)

Das Desert Flower Center im Krankenhaus Waldfriede ist weltweit das erste Zentrum dieser Art, in dem Frauen mit Genitalverstümmelungen Hilfe in Form eines ganzheitlichen Angebots aus wiederherstellender Chirurgie und psychosozialer Betreuung erhalten. (Foto: Hajo Müller)


 Waris Diries im Gespräch

Waris Diries Buch Wüstenblume und der gleichnamige Film rückten vor einigen Jahren das Schicksal der schätzungsweise weltweit 150 Millionen betroffenen Frauen ins Blickfeld der Weltöffentlichkeit. (Foto: Hajo Müller)


Gruppenbild

V. l. n. r.: Bernd Quoß (Geschäftsführer des Krankenhauses Waldfriede), Evelyn Brenda (Beraterin, ADRA Deutschland), Waris Dirie, Birgid Zoschnik, Dr. Roland Scherer (Chefarzt und Leiter des Desert Flower Center). (Foto: Hajo Müller)

    Schreibe einen Kommentar

    Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert