(“Adventisten heute”-Aktuell, 17.1.2014) Ist die Zeit der Gottesdienste für kirchenferne Menschen vorbei? Zu dieser Frage hat der Direktor des Instituts zur Erforschung von Evangelisation und Gemeindeentwicklung in Greifswald, der Theologieprofessor Michael Herbst, Stellung genommen. Er sprach bei einer Tagung zum Thema “Evangelisation” der Arbeitsgemeinschaft Missionarische Dienste (AMD), die vom 14. bis 16. Januar in Berlin stattfand.
Sogenannte “Sucher-orientierte” Gottesdienste wurden von der US-amerikanischen Willow-Creek-Gemeinde und deren Gründungspastor Bill Hybels (South Barrington bei Chicago) angestoßen. Sie sollen mit moderner Musik, Theaterstücken, Themenpredigten und einem Bistro nach dem Gottesdienst vor allem Kirchendistanzierten den christlichen Glauben näherbringen. Nach der Beobachtung von Herbst wird die Zahl solcher Gottesdienste kleiner. Er war vor zwölf Jahren Mitgründer des Sucher-orientierten “Greifbar”-Gottesdienstes in Greifswald. Zwar hätten dort Menschen aus nicht-christlichem Hintergrund zum Glauben gefunden. Allerdings geschehe dies in den letzten Jahren immer seltener, so Herbst.
Fünf Gründe für den Rückgang
Er sieht dafür fünf Gründe: Ehrenamtliche Mitarbeiter seien erschöpft, da alternative Gottesdienste besonders arbeitintensiv seien. Ferner gerate der Charakter der Veranstaltung als Gottesdienst ins Wanken. Die Teilnehmer seien häufig eher “Publikum” und zu wenig “Gemeinde”; die Beteiligung sei entsprechend schwach. Außerdem hätten Nicht-Christen keine schlechten Erfahrungen mit der Kirche, sondern gar keine Erfahrung. Sie seien neugierig zu erfahren, was und wie Christen ihre “richtigen” Gemeinde-Gottesdienste feiern. Laut Herbst besitzt der Inhalt von Sucher-orientierten Gottesdiensten nicht genug Tiefe, um nachdenkliche Zeitgenossen zu erreichen: “Wenn es letztlich immer darum geht, zu sagen, dass Gott unsere tiefen emotionalen, sozialen, leibbezogenen, existenziellen Fragen kennt, versteht und in Jesus überaus freundlich beantwortet, dann ist zwar die Kontaktfunktion der Predigt stark, aber ihr Informationsgehalt zu schwach, auf Dauer vorhersehbar und darum nicht überzeugend.” Herbst zufolge wird der Graben zwischen Gästen und Gemeinde durch Sucher-orientierte Gottesdienste oft nicht überwunden. Häufig gelinge der Sprung in Glaubenskurse oder andere weiterführende Angebote nicht.
Kein “Fremdschämen” im traditionellen Gottesdienst
Nach seiner Ansicht sollte die traditionelle Gemeindepredigt “sowohl erbauen als auch erwecken”, also zum Glauben rufen. Nicht-Christen brauchten verständliche Gottesdienste mit musikalischer Vielfalt. Herbst: “Wir sollten in jedem Gottesdienst mit der Anwesenheit unkirchlicher oder entkirchlichter Menschen rechnen. Christen sollten ihren Gottesdienst so âspannend’ finden, dass sie ohne Fremdschämen Menschen gerne einladen und mitbringen.” (idea)