(“Adventisten heute”-Aktuell, 19.6.2015) Das Internet macht im gleichen Maße abhängig wie eine Droge. Davon ist der Medienforscher und Psychiater Bert te Wildt (Bochum) überzeugt. “Man findet bei beiden den Kontrollverlust: die Abhängigen wollen aufhören, können aber nicht. Im Sinne einer Dosissteigerung brauchen sie immer mehr, um den Kick zu bekommen, das ersehnte befriedigende Gefühl”, sagte te Wildt dem Magazin “Psychologie Heute” (Weinheim). Dazu kämen Entzugserscheinungen wie Zittern, kalter Schweiß oder Schlaflosigkeit.
Eltern müssen Grenzen setzen
Bei Kindern komme es “im Zweifelsfall einer Misshandlung gleich”, wenn Eltern sie unbeaufsichtigt im Internet surfen ließen: “Eltern müssen Grenzen setzen, denn nur das gibt Halt und Sicherheit.” Als ersten Schritt rät te Wildt zum gelegentlichen Verzicht auf das Smartphone: “Für jeden Menschen ist es sinnvoll, sich medienfreie Zeiten einzurichten.” An einem Tag der Woche sei es ratsam, vollständig auf die neue Technologie zu verzichten. Mittlerweile besitzen 45 Millionen Menschen in Deutschland ein Smartphone.
Zu viele Entscheidungen belasten das Gehirn
Der Neurowissenschaftler Daniel Levitin (Montreal/Kanada) sieht das größte Problem in den ständigen Entscheidungen, die das Gehirn überlasten: “Schaue ich auf meine E-Mails? Soll ich antworten? Soll ich sie löschen? Tue ich das jetzt oder später?” Während jede dieser kleinen Entscheidungen für sich genommen belanglos wirke, entzögen sie dem Gehirn aufgrund ihrer gesteigerten Häufigkeit wichtige Nährstoffe. Zudem produziere der Körper bei geistiger Überlastung das Stresshormon Cortisol, was bei zu hoher Ausschüttung zu Stoffwechselstörungen führen könne. Levitins Ratschlag: In seiner Freizeit sollte man am besten nichts tun und sich Tagträumen hingeben: “Das ist, als würde man die Neustart-Taste im Gehirn drücken.”
Der jüdische Sabbat ist gut für das Gehirn
Im Jahr 2001 hatte der Neurologe Marcus Raichle (St. Louis/US-Bundesstaat Missouri) herausgefunden, dass das Gehirn auch im Ruhezustand wichtige Funktionen erfüllt. Wissenschaftler machen Unregelmäßigkeiten des von ihm beschriebenen “Ruhezustandsnetzwerks” für die Entstehung verschiedener Nervenkrankheiten und psychischer Leiden verantwortlich. Ein Mittel, dem Gehirn auch einmal eine längere Ruhepause zu gönnen, ist für die jüdisch-britische Autorin Naomi Alderman (London) das Einhalten des Sabbats. Er gewöhne schon Kinder daran, “25 Stunden in der Woche fast gar nichts zu tun”. Alderman: “Wenn wir lernen, Langeweile auszuhalten, finden wir heraus, wer wir wirklich sind.” (idea)