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Deutschschweizer Kirchenleitung der Adventisten warnt vor hierarchischer Kirchenstruktur

Von: apduser Datum Beitrag: 12.10.2018 Kommentare: Keine Kommentare Tags: , , , , ,

Der Exekutivausschuss (Vereinigungsausschuss) der Deutschschweizerischen Vereinigung (DSV) der Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten hat am 2. Oktober per Mehrheitsbeschluss entschieden, sich der Stellungnahme der beiden Kirchenleiter in Deutschland, Werner Dullinger (Süddeutscher Verband, Ostfildern) und Johannes Naether (Norddeutscher Verband, Hannover) anzuschließen. In der Stellungnahme vom 6. September 2018 wird vor einer Entwicklung der weltweiten adventistischen Kirche „hin zu einer hierarchischen Kirchenstruktur“ gewarnt.

Zweistufiges kirchenrechtliches Verfahren bei Differenzen

Anlass der Kritik ist die Veröffentlichung der Dokumente „Beachtung und Umsetzung von Beschlüssen der Vollversammlung und des Exekutivausschusses der Generalkonferenz“ (Weltkirchenleitung) sowie „Aufgabenstellung des Konformitätsausschusses“ durch den Verwaltungsausschuss (ADCOM) der Weltkirchenleitung (Generalkonferenz) der Siebenten-Tags-Adventisten vom 17. Juli 2018. Beide Dokumente sollen dem Mitte Oktober tagenden Exekutivausschuss der Weltkirchenleitung zur Annahme vorgelegt werden. In ihnen wird ein kirchenrechtliches Verfahren beschrieben, wie die untergeordneten Kirchenleitungen (überregionale Verbände/Unionen und regionale Vereinigungen) sowie deren Leiter zu behandeln sind, wenn sie sich nicht konform zu Beschlüssen der Weltkirchenleitung verhalten.

Auf der Jahressitzung 2016 des Exekutivausschusses wurde ein zweistufiges Vorgehen zum Umgang mit Kirchenleitungen beschlossen, die Beschlüsse der Weltkirche nicht umsetzen, um sie wieder in Übereinstimmung zu bringen. Demnach sollen in einem ersten Schritt verschiedene Konsultationen und Dialoge auf unterschiedlichen Ebenen der Kirche geführt und die entsprechenden Kirchenleitungen auch mittels eines Pastoralbriefs dringend gebeten werden, die Übereinstimmung mit den Beschlüssen der Weltkirche wiederherzustellen. Sofern die Angelegenheit damit nicht geklärt werden kann und die Differenzen Glaubensüberzeugungen (Fundamental Beliefs) oder Beschlüsse bzw. Richtlinien der Weltkirche (Working Policy) betreffen, soll die zweite Stufe mit verfahrensrechtlichen Schritten eingeleitet werden. Doch das dem Exekutivausschuss 2017 vorgelegte Dokument zum Schlichtungsverfahren kirchlicher Angelegenheiten mit dem Titel „Verfahren zur Schlichtung und Einhaltung der Kirchenrichtlinien, Phase II“ („Procedures for Reconciliation and Adherence in Church Governance: Phase II”) wurde nach ausführlicher Diskussion mit 184 zu 114 Stimmen zurück an den „Ausschuss zur Aufsicht der Einheit“ („Unity Oversight Committee“) verwiesen, der es erarbeitet hatte.

Überarbeitetes Dokument

Seit 17. Juli 2018 liegt nun eine überarbeitete Fassung vor, über die der Exekutivausschuss an seiner Herbstsitzung vom 11.  bis 17. Oktober entscheiden soll. Darin wird unter anderem vorgeschlagen, dass der Verwaltungsausschuss eines Verbandes/einer Union oder einer Vereinigung Regelverstöße von Amts wegen ausfindig machen und der jeweils nächsthöheren Dienststelle melden soll. Sollten abweichende Beschlüsse nicht rückgängig gemacht werden, könne der Leiter dieser Verwaltungseinheit Disziplinarmaßnahmen unterworfen werden, wie Verwarnung/Abmahnung, öffentliche Rüge, bis hin zum Ausschluss aus dem Exekutivausschuss der Weltkirchenleitung (Generalkonferenz), dem ein Verbandspräsident von Amts wegen angehört. Sogenannte Konformitätsausschüsse („Compliance Committees“) mit weitreichenden Vollmachten sollen bei Regelverstößen tätig werden.

Diskussionen als Ausdruck eines demokratischen Prozesses

Die Veröffentlichung dieser Dokumente und der Entscheidungen des GC-AdCom (Administrativkomitee der Generalkonferenz bzw. Weltkirchenleitung) in dieser Sache habe in den vergangenen Wochen «innerhalb der Weltgemeinde und insbesondere bei uns in Europa hohe Wellen geschlagen», schreibt Pastor Stephan Sigg, Präsident der Deutschschweizer Adventisten, im Begleitschreiben an die Gemeindeleitungen und Pastoren zum Beschluss, sich der Stellungnahme der deutschen Kirchenleiter anzuschließen. Dass Vorgänge und Entscheidungen auf der Ebene der adventistischen Weltkirchenleitung «von Gemeindegliedern, Mitarbeitern und Gremien diskutiert werden, ist kein schlechtes Zeichen. Solange dies in einer fairen und sachlichen Art und im brüderlichen Geist geschieht, ist es sogar Ausdruck einer vitalen Gemeinde und eines gesunden demokratischen Prozesses», schreibt Pastor Sigg. Das Apostelkonzil der ersten Christen (Apostelgeschichte 15,1-29) zeige beispielhaft, «dass es im geschwisterlichen Ringen letztlich immer darum geht, im Sinne des biblischen Evangeliums und der Mission, vom Heiligen Geist geleitete Entscheidungen zu treffen».

Frage der Ordination von Frauen zum Pastorendienst als Auslöser

Das Verfahren zur Schlichtung kirchlicher Angelegenheiten sei durch die Diskussion um die Ordination von Frauen zum Pastorendienst ausgelöst worden, stellte schon 2017 Pastor G. T. Ng, Generalsekretär der Weltkirchenleitung, fest. Es gibt überregionale Kirchenleitungen (Verbände), die Pastorinnen ordiniert haben und die damit nicht in Übereinstimmung mit den Beschlüssen der Weltsynode (Generalkonferenz-Vollversammlung) sind. Dennoch gehe es beim Verfahren zur Schlichtung kirchlicher Angelegenheiten um weit mehr als um die Regelung der Frage der Frauenordination, so Ng.

Einheit in Vielfalt

In ihrer Stellungnahme zu den beiden am 18. Juli veröffentlichten Dokumenten betonen Werner Dullinger und Johannes Naether, die zudem Präsident bzw. Vizepräsident der Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten in Deutschland sind, dass die Ortsgemeinden das Fundament der weltweiten Freikirche der Siebenten-Tags- Adventisten seien. Um eine Weltkirche zu führen, hätten sich die Adventisten daher ein repräsentatives System gegeben, um die Kirche als Organisation und als eine Gemeinschaft von Gläubigen zu leiten. „In der jüngsten Initiative der Weltkirchenleitung erkennen wir eine bedrohliche Entwicklung hin zu einer hierarchischen Kirchenstruktur, der wir uns entschieden entgegenstellen werden.“

Wo Menschen sich gemeinsam zu Gott bekennen und ihm nachfolgen, bildeten sie eine Gemeinde, eine Kirche, basierend auf biblischen Prinzipien und Werten. In der Kirche als Organisation lebe jeder Einzelne immer zuerst „aus Glauben“, das bedeute aus seiner persönlichen Erkenntnis, die ihm Gott schenke und aus seiner freien und unabhängigen Gewissensentscheidung, die er vor Gott treffe. Stünden Strukturen dem Gewissen entgegen, müsse die ganze Gemeinschaft daran arbeiten, Wege zu finden, diese weiter zu entwickeln, wie dies das Neue Testament bestätige, betonen die beiden deutschen Verbandspräsidenten. Die Einheit der Kirche werde allein durch Jesus gewirkt und garantiert, nicht aber durch menschliche Anstrengungen. Aus vielerlei Gründen gebe es keine vollständige Entsprechung zwischen dieser in Gott bestehenden Einheit und einer konkreten kirchlichen Gestalt. Bei Jesus würden Einheit und Liebe, Vertrauen und Freiheit zusammengedacht, und nur so komme es zur Erkenntnis Gottes, des Erlösers. „Als Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten dürfen wir diesen Weg der Einheit in Vielfalt vertrauensvoll gehen“, sind Dullinger und Naether überzeugt.

Richtungswechsel befürchtet

Die Dokumente und die Arbeit der „Compliance Committees“ markierten einen Richtungswechsel im Grundverständnis von Kirchenleitung. An die Stelle von Vertrauen, Toleranz, Respekt, Konfliktfähigkeit und Dialog in der Kontroverse, würden Druck, Kontrolle, Überwachung und die Stigmatisierung von einzelnen Personen stehen. Dadurch erhöhe sich die Spaltungsdynamik einer Kirche signifikant und verkehre das Bemühen und Beten um Einheit ins Gegenteil. Die Dokumente und die Arbeit der „Compliance Committees“ förderten einen Geist des Misstrauens, des Kritisierens, des Bewertens und des Richtens. Das widerspreche dem Geist des Evangeliums. Auch die öffentliche Stigmatisierung von Personen sei nicht hinnehmbar, weil sie Menschen in ihrer Würde beschädige. „Die in unserer Kirche vorhandenen Regeln reichen völlig aus, um bei Problemen oder Konflikten zu intervenieren. Die bestehenden Instrumente und Verfahren geben uns dafür einen breiten Spielraum“, lautet das Fazit der beiden deutschen Freikirchenleiter. Deshalb lehnten sie die von der Weltkirchenleitung vorgelegten Dokumente und die Einrichtung der „Compliance Committees“ entschieden ab, weil sich darin ihr Verständnis von Kirche und wie eine Kirche zu leiten sei, nicht wiederfinde.

Deutschschweizer Kirchenleitung teilt Bedenken

Im Blick auf die jüngsten Vorstöße und Beschlüsse der Administration der Weltkirchenleitung teile der Vereinigungsausschuss der Deutschschweizerischen Vereinigung (DSV) der Siebenten-Tags-Adventisten im Wesentlichen die verbreitete Sorge über eine wachsende Zentralisierung und Bündelung von Leitungsaufgaben und –kompetenzen von den Weltfeldern und Dienstebenen hin zur Generalkonferenz (Weltkirchenleitung), schreibt Stephan Sigg, Präsident der Adventisten in der Deutschschweiz, im Begleitschreiben zum Beschluss, sich der Stellungnahme der deutschen Kirchenleiter anzuschließen. «Unsere Glaubensgemeinschaft hat genügend Regularien und Instrumente, um bei offensichtlichem und konstantem Wiederspruch gegenüber unseren Glaubens- oder unseren Gemeindeordnungen auf lokaler wie auf den jeweils zuständigen Dienstebenen zu reagieren – und sie tut es auch».

«Als Deutschschweizerische Vereinigung fühlen wir uns vollumfänglich mit der weltweiten Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten verbunden und unterstützen die gewählten Leitungen» der Generalkonferenz (Weltkirchenleitung) wie aller Dienstebenen in der gemeinsamen Verantwortung, das Evangelium von Jesus Christus und die Botschaft der Hoffnung auf sein baldiges Kommen in unsere Welt zu tragen, so Sigg.

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