Die Situation der Christen in der Türkei war auch im Jahr 2018 in verschiedener Hinsicht schwierig, teilte das Internationale Institut für Religionsfreiheit (IIRF) in seinem Bulletin 1/2019 mit. Darin berichtet die Vereinigung Protestantischer Kirchen der Türkei über Menschenrechtsverletzungen im Land. Einerseits habe es im Jahr 2018 eine „klare Abnahme von Hassdelikten gegen evangelische Christen in Form von tätlichen Angriffen auf evangelische Christen und Kirchen“ gegeben. Zugleich sei aber eine „signifikante Zunahme von öffentlicher Hassrede“ gegen Protestanten, und das „einzig wegen ihres Glaubens“, verzeichnet worden. Das IIRF arbeitet unter der Aufsicht der Weltweiten Evangelischen Allianz.
Ausweisungen von ausländischen Mitarbeitern
Nicht selten würden Christen oder Gemeinden in einem Atemzug mit terroristischen Organisationen genannt, häufiger auch mit Namensnennung und Fotos, obgleich es auch in der Türkei ein Gesetz zum Schutz persönlicher Daten gibt. Im Jahr 2018 hätten sich nahtlos die Schwierigkeiten für ausländische Mitarbeiter oder Gemeindemitglieder fortgesetzt. Etliche seien ausgewiesen worden oder hätten nicht mehr einreisen dürfen, weil ihre Aufenthaltsgenehmigungen nicht mehr verlängert wurden. Der schwierigste Fall sei die monatelange Haft und das Verfahren gegen Pastor Andrew Brunson gewesen, der über 20 Jahre lang in der Türkei gelebt und als geistlicher Leiter einer Gemeinde in Izmir gearbeitet hatte. Auch die Ausweisung von David Byle nach fast 20-jährigem Dienst in der Türkei sei nicht nachvollziehbar. Er habe sich all die Jahre immer penibel an Recht und Gesetz gehalten. Er wurde zwar im Laufe der Jahre häufiger angeklagt, sei aber immer freigesprochen worden. Zuletzt hätte man ihm unter anderem vorgeworfen, er würde seinen Glauben „besonders intensiv“ leben, was auch nach türkischem Recht kein Vergehen darstelle.
Langjährige Probleme
Laut der Vereinigung Protestantischer Kirchen hätten auch 2018 einige langjährige Themen unverändert auf der Tagesordnung gestanden. Es gebe im Land nach wie vor keine offizielle Möglichkeit für die Ausbildung geistlicher Leiter. Die protestantischen Ortsgemeinden lebten immer noch in einer „juristischen Grauzone“. Die meisten Gebäude und Räumlichkeiten der Gemeinden seien juristisch häufig nur „Vereinslokale“ und kein „Ort der Anbetung“, was eigentlich Voraussetzung wäre, um Gottesdienste abhalten zu können. Gemeinden könnten sich als „Verein“ oder „Stiftung“ registrieren lassen, aber es gebe immer noch keine Möglichkeit, direkt als „Kirche“ juristische Person zu werden. Immerhin stehe die Religionszugehörigkeit in neu ausgegebenen Personalausweisen nicht mehr sichtbar auf der Karte, sei aber elektronisch auf dem Chip gespeichert. Dadurch verringere sich vermutlich die Gefahr der Diskriminierung. Trotzdem plädierten die Christen seit längerem dafür, diesen Eintrag im Ausweis gänzlich zu streichen. In Bezug auf den Religionsunterricht blieben nach wie vor Fragen offen, vor allem die, wie man sich ohne Probleme als Christ vom islamischen Religionsunterricht abmelden kann. Trotz der genannten Probleme hätten die meisten der etwa 150 evangelischen Gemeinden in der Türkei ihre Gottesdienste und sonstigen gemeindlichen Versammlungen im Jahr 2018 vergleichsweise ungestört abhalten können.
Jahresberichte der Vereinigung Protestantischer Kirchen
Die Vereinigung Protestantischer Kirchen der Türkei gibt seit längerem einen Bericht über Menschenrechtsverletzungen des abgelaufenen Jahres heraus. Der Schwerpunkt liegt dabei auf den evangelischen Christen und Kirchen – nicht, weil orthodoxe oder katholische Christen keine Probleme hätten, sondern nur deshalb, weil man mit den begrenzt zur Verfügung stehenden Mitteln nur die Situation der eigenen Gemeinden seriös und detailliert beurteilen könne. Der Jahresbericht erscheint immer in türkischer und englischer Sprache. Das Internationale Institut für Religionsfreiheit (IIRF) übernimmt den englischen Bericht und erstellt auf dieser Basis eine deutsche Übersetzung.