Zu einem verstärkten Einsatz für bedrängte Christen haben mehrere Referenten auf dem 6. Ökumenischen Kongress „Christenverfolgung heute“ in Schwäbisch Gmünd vor rund 450 Teilnehmern aufgerufen. Der Kongress wurde veranstaltet vom Christlichen Gästezentrum Schönblick (Schwäbisch Gmünd) und der Evangelischen Nachrichtenagentur idea (Wetzlar) in Zusammenarbeit mit über 30 evangelischen, katholischen und freikirchlichen Hilfswerken sowie Menschenrechtsorganisationen aus Deutschland, Österreich, der Schweiz und Großbritannien.
Internationale Begegnung – christliche Verantwortung
Die ausländischen Gäste dieser Tagung vom 10.-13. November kamen neben Deutschland aus China, Costa Rica, England, Finnland, Indien, Irak, Iran, Pakistan, Syrien und der Türkei. Insgesamt sieben Sprachen waren zu übersetzen. Weltweit, so Professor Christof Sauer von der Freien Theologischen Hochschule Gießen, würden mindestens 245 Millionen Christen laut der neuesten Ausgabe des Weltverfolgungsindexes ihres Glaubens wegen verfolgt. Der Wissenschaftler für Religionsfreiheit und Christenverfolgung ist maßgeblich an der Erstellung der von Open Doors herausgegebenen Übersicht beteiligt.
Für Volker Kauder, Schirmherr des Kongresses und früherer Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion ist daher auch der Einsatz für Religionsfreiheit und verfolgte Christen eine „geschwisterliche Pflicht“. Christen in Deutschland trügen die Verantwortung, dass Glaubensfreiheit auch in Zukunft bestehen könne: „Wenn es die Religionsfreiheit nicht gibt, gibt es auch keinen Schutz für Christen.“ Der Präsident der Internationalen Konferenz bekennender Gemeinschaften (IKGB), Ulrich Rüß, meinte denn auch bei einem Treffen der Kooperationspartner des Kongresses: „An der Notwendigkeit dieses Kongresses sollte niemand zweifeln.“
„Durch Gebet kann Nordkoreas Mauer fallen“
So berichtete der koreanisch-amerikanische Missionar Kenneth Bae auf Einladung der Hilfsaktion Märtyrerkirche (HMK) von seinem 2-jährigen Aufenthalt in einem nordkoreanischen Arbeitslager. Er schilderte die beschwerlichen Bedingungen und von Schmerzen geprägte Zeit. Dabei habe er sich oft gefragt, wie lange denn das Leiden andauern würde. In dieser Zeit habe er gelernt, den Blick noch stärker auf Gott zu richten und ihm zu vertrauen.
Mit einer Bitte wandte sich Bae an die Christen in Deutschland. Vor dem Fall der Mauer hätten Christen rund um den Globus für eine Wiedervereinigung gebetet. Durch die Kraft des Gebets sei dies Wirklichkeit geworden. So könnten Gebete auch ein Wunder auf der koreanischen Halbinsel bewirken. Diesen Gedanken bekräftigte auch Professor Sauer beim Abschlussgottesdienst des Kongresses. In seiner Homilie über das „Vaterunser“ rief er auf, für Verfolgte zu beten. „Wir machen uns schuldig, wenn wir die Christen vergessen, die für ihren Glauben unter Druck stehen.“
„Eine Art Völkermord an Christen“ in Nigeria
Der Kirchenpräsident der „Evangelical Church Winning all“ (ECWA) im nigerianischen Jos, Stephan Panya Baba, informierte, dass sich in manchen Regionen Nigerias die Situation von Christen so sehr verschlechtert habe, dass man von „einer Art Völkermord an Christen“ sprechen könne. Es gebe in seinem Heimatland nicht nur die islamische Terrormiliz „Boko Haram“, sondern auch extremistische Fulani-Milizen. Häufig sei auch in Medienberichten in Europa zu lesen, dass die schweren Auseinandersetzungen im Süden des Landes zwischen christlichen Bauern und muslimischen Fulani-Nomaden keine religiösen Gründe hätten, sondern ein Streit um Land sei. Doch die muslimischen Angreifer richteten sich gezielt gegen Christen. Muslime würden zumeist gewarnt und verließen dann „ganz still“ am Abend vor der Attacke das Dorf.
Ohne Sicherheitsgarantien keine Rückkehr von Christen in den Irak
In einer anderen Veranstaltung berichteten laut idea Kirchenvertreter, dass die meisten irakischen Christen ohne Sicherheitsgarantien nicht in ihre Heimat zurückkehren würden. Die Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS) habe viele christliche Dörfer verwüstet und Tausende Kirchenmitglieder ermordet. Betroffen sei vor allem die nordirakische Ninive-Ebene mit der Hauptstadt Mossul gewesen. Etwa 40 Prozent der Häuser wären dort zerstört worden, sagte der dortige katholische Priester Georges Jahola. Am Wiederaufbau beteiligten sich Hilfsorganisationen aus aller Welt. Etwa 40.000 der mehr als 500.000 aus der Ninive-Ebene Vertriebenen seien inzwischen zurückgekehrt, die Übrigen lebten in anderen Landesteilen oder in den Nachbarländern Türkei, Libanon und Jordanien sowie im westlichen Ausland. Am wichtigsten wäre das Gefühl, ohne Angst vor neuen Angriffen planen zu können. Außerdem brauche man Arbeitsplätze in Fabriken, Handwerksbetrieben und der Landwirtschaft. Die irakische Regierung unterstütze den Wiederaufbau nur zögerlich. Der Geistliche forderte mehr internationalen Druck, um die Korruption im Land wirkungsvoll zu bekämpfen.
Probleme, aber keine Christenverfolgung in der Türkei
Der Generalsekretär der Türkischen Evangelischen Allianz, Umit Sahin (Izmir), betonte, in der Türkei könne man nicht von Verfolgung sprechen. Er gebe aber Druck und Probleme. So könne es passieren, dass die Polizei, nachdembeispielsweise ein Student Christ geworden sei, die Familie anrufe, sie darüber informiere und vor einer möglichen „Gehirnwaschung“ durch Missionare warne. Andere Christen hätten nach ihrem Übertritt ihren Arbeitsplatz verloren.
Resolution gegen Abschiebung von Konvertiten
Wie schon vor 2 Jahren, so wurde auch während dieser Kongresstage den Teilnehmern eine Resolution vorgelegt, die sich gegen die Abschiebung von in Deutschland lebenden Flüchtlingen aus islamisch geprägten Ländern wendet, die Christen geworden sind. Die Resolution ist an Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) und Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) und alle Bundestagsabgeordneten gerichtet. Sie sollen sich dafür einsetzen, dass zum Christentum konvertierte Flüchtlinge nicht in Länder abgeschoben werden, in denen ihnen Tod oder Verfolgung wegen ihres Glaubens droht.
Kongress begann 2009 mit zehn Kooperationspartnern
Ziel des Kongresses „Christenverfolgung heute“ sei, bedrängten Christen eine Stimme zu geben, die Netzwerke zwischen ihnen und den Christen in der „freien Welt“ auszubauen und Initiativen zum Handeln aufzuzeigen. Der alle zwei Jahre stattfindende Kongress begann 2009 mit zehn Kooperationspartnern und 250 Teilnehmern. Der jetzige viertägige Kongress endete am 13. November und wollte nach den Worten von Kuno Kallnbach von der Kongressleitung den Christen in der Verfolgung „eine Stimme geben“. Das nächste Treffen ist vom 14.-17. November 2021 geplant.