Zu Aussagen des US-Präsidenten Joe Biden beim (digitalen) Nationalen Gebetsfrühstück der USA am 4. Februar ein Kommentar von IDEA-Redaktionsleiterin Daniela Städter
Der demokratische US-Präsident Joe Biden präsentiert sich seit seinem Amtsantritt am 20. Januar als Versöhner. Auch beim Gebetsfrühstück äußerte sich der Katholik nachdenklich und einfühlsam. Er rief in seiner Videobotschaft dazu auf, parteipolitische Gräben zu überwinden. Das gemeinsame Ziel aller Amerikaner müsse jetzt sein, einander zu respektieren: „Wir brauchen einander.“
Doch Bidens Entscheidungen sprechen zum Teil eine andere Sprache: Republikaner setzen sich eher für den Schutz ungeborener Kinder ein, Demokraten stellen stärker das Selbstbestimmungsrecht der Schwangeren in den Vordergrund. Wer Steuergelder für Abtreibungen einsetzen will, stellt sich somit gegen die Überzeugungen vieler Republikaner und auch gegen Evangelikale und viele Katholiken. Biden weiß das. Trotzdem hat er – wie seine demokratischen Vorgänger Clinton und Obama auch – das Finanzierungsverbot für Nichtregierungsorganisationen aufgehoben, die im Ausland Abtreibungen anbieten (Mexiko-City-Politik). Jetzt werden US-Behörden an solche Organisationen wieder Steuergelder überweisen. Die katholische US-Bischofskonferenz nannte die Entscheidung unethisch.
Was nicht versöhnlich ist
Biden und seine Vizepräsidentin Kamala Harris erinnerten am 22. Januar auch wohlwollend an den Jahrestag des 1973 vom Obersten Gerichtshof gesprochenen Urteils im Fall „Roe v. Wade“, mit dem die Richter das Töten von Kindern im Mutterleib zur „Privatsache“ erklärten. Seitdem sind deutlich über 63 Millionen ungeborene Kinder abgetrieben worden. Weiter schreiben die beiden, die „reproduktive Gesundheit“ – gemeint sind damit vor allem Abtreibungen – von Frauen sei in den vergangenen vier Jahren „unerbittlich und extrem angegriffen“ worden. Versöhnlich sind solche Aussagen nicht.
Biden will sich als „Anti-Trump“ positionieren: Er hat das Einreiseverbot für Menschen aus mehreren islamischen Ländern und das Transgender-Verbot beim Militär aufgehoben und die Kündigung des Pariser Klimaschutzabkommens rückgängig gemacht. Umgesetzt wurde es mit Bidens Unterschrift unter Dekrete („Executive Orders“) ohne Einbindung des Kongresses. Allein an seinem ersten Arbeitstag unterzeichnete Biden 17 Erlasse – so viele wie kein Präsident vor ihm an Tag eins. Bei dem Tempo wird selbst der „New York Times“ mulmig. Redakteure der Zeitung rieten Biden daraufhin: „Lassen Sie es mit den Dekreten langsam angehen, Joe.“ Diese Direktiven seien ein unzulänglicher Ersatz für eine Gesetzgebung im Kongress. „Die Welt“ äußerte in einem Kommentar, man sollte dann auch „keine Rhetorik des Ausgleichs und der Versöhnung inszenieren, die angesichts der Geschwindigkeit des Umbruchs unglaubwürdig ist“. So überwindet Biden keine parteipolitischen Gräben zwischen seinen 81 Mio. und den 74 Mio. Trump-Wählern. Die Lager im Land könnten sich bei der nächsten Wahl noch unversöhnlicher gegenüberstehen.
Über das Gebetsfrühstück
Das Nationale Gebetsfrühstück hat eine lange Tradition. Seit 1953 treffen sich in Washington Parlamentarier zu Frühstück, Bibellesungen und Gebet. 2020 nahmen über 3.000 Gäste aus mehr als 130 Ländern daran teil. In diesem Jahr fand das Treffen coronabedingt digital statt. Alle noch lebenden Ex-Präsidenten (außer Donald Trump) beteiligten sich mit Grußbotschaften. Joe Biden sagte in seiner Kurzansprache, für viele US-Bürger sei die Gegenwart eine dunkle Zeit. Über 400.000 hätten durch die Corona-Pandemie ihr Leben verloren. Millionen Menschen seien arbeitslos geworden. Zudem gebe es immer noch Ungerechtigkeit gegenüber Schwarzen. „Wir werden noch viele dunkle Stunden zu ertragen haben, aber wir werden sie zusammen durchstehen“, so Biden. „Möge der Glaube uns durch die Dunkelheit ins Licht führen.“