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Pro & Kontra: Nichtkirchenmitglieder kirchlich trauen?

Von: ideauser Datum Beitrag: 22.07.2022 Kommentare: Keine Kommentare Tags: , , , ,

Nach der kirchlichen Trauung von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) und seiner Frau Franca Lehfeldt in der evangelischen St.-Severin-Kirche in Keitum auf Sylt war eine Kontroverse entbrannt, weil sowohl Lindner als auch Lehfeld aus der Kirche ausgetreten sind. Sollte man Brautpaare, bei denen beide Partner keine Kirchenmitglieder sind, kirchlich trauen?

PRO

Was eigentlich ist eine kirchliche Trauung? Eine Bitte um Gottes Segen. Und der Zuspruch dieses Segens durch einen Menschen, der diesen Segen glaubhaft zusprechen kann. Braucht man einen solchen Segen? Wer auch nur eine Ahnung davon hat, was es heißt, sich an einen anderen Menschen „bis dass der Tod Euch scheidet“ zu binden, der weiß auch, dass an Gottes Segen alles gelegen ist. Denn beide Personen werden sich ändern. Wie und in welche Richtung weiß keiner. Auch keiner der beiden. Wenn jemand schon mal sein Versprechen, seine Zusage nicht erfüllen konnte, dann weiß sie bzw. er, wie nötig es ist, dass man den Segen Gottes dafür zugesprochen bekommt. Kann man die Bitte um Segen wirklich verwehren? Natürlich. Nicht alles darf und kann gesegnet werden. Würde jemand um die Segnung von Waffen bitten, müsste man das natürlich ablehnen.

Eine Kirche in ihrer Schönheit und Prägung über Jahrhunderte ist für Gottes Segen ein guter Ort. Aber letztlich eine Äußerlichkeit. Eine willkommene. Klar. Eine, die gute Stimmung macht. Kirche ist ein Ort, an dem schon viele, aus unterschiedlichsten Erfahrungen, um Gottes Segen gebeten haben. Natürlich ist es gut, wenn jemand, der darum bittet, in der Kirche ist. Aber gibt es nicht leider viele gute Gründe, nicht in einer Kirche zu sein? Auch außerhalb der Kirche gibt es Heil. Und eben auch Segen. Einem, der öffentlich sogar seinen Amtseid auf Gott schwört, und seiner Frau den Segen Gottes zu verweigern, scheint mir nicht schlüssig. Die Sylter Pastorin Susanne Zingel hatte zu wählen zwischen zwei Wegen, die beide Kritik auf sich gezogen hätten. Was würde Jesus dazu sagen? Ich glaube, er hätte Respekt vor dieser Frau.

(Der Autor, Steffen Reiche, ist Pfarrer der evangelischen Kirchengemeinde Nikolassee in Berlin. Er war Mitbegründer der Sozialdemokratischen Partei der DDR und von 1994 bis 2004 Minister der SPD in Brandenburg.)

KONTRA

Warum wollen zwei Menschen kirchlich heiraten? In Deutschland können sie die staatliche Trauung so nicht vollziehen. Zur Kirche kommt ein verheiratetes Paar, weil sie als Christin und Christ in ihrer Glaubensgemeinschaft den Segen Gottes für ihre Ehe erbitten.

Es sind standhafte Kirchenmitglieder – inzwischen weniger als die Hälfte der Bevölkerung –, die finanzieren, dass es Geistliche ebenso gibt wie Kirchenmusik und Gotteshäuser, damit wir Gottesdienst feiern können. Vielen fällt es gerade in diesen Zeiten nicht leicht, Kirchensteuer zu zahlen. Mitgliedschaft aber bedeutet immer auch Zugehörigkeit, Bekenntnis zu einer Gemeinschaft. Das gilt auch für Parteien oder Gewerkschaften. Zur Mitgliedschaft gehören Überzeugungen sowie Pflichten auf der einen und Rechte auf der anderen Seite.

Sicher, ein Mensch kann an Gott glauben, ohne Kirchenmitglied zu sein. Aber wofür sollte ein Paar, das dezidiert erklärt hat, „liberale Freigeister“ zu sein, samt einem Redner, der erklärt hat, das Christentum sei „ein gescheitertes Projekt“, eine Kirche nutzen wollen?

Dass Menschen Sehnsucht nach Gottes Segen verspüren, freut mich. Deshalb sorgen Kirchenmitglieder dafür, dass jeden Sonntag jeder Mensch in Deutschland einen Gottesdienst besuchen kann, in dem ihm Gottes Segen zugesprochen wird. Aber vor den Altar zu treten, Gottes Wort hören, sich vor Gott und der dem Paar verbundenen versammelten Gemeinde das Jawort geben – das geschieht aus christlicher Überzeugung. Es ist nicht ein Akt auf Probe, ob es mir hier vielleicht gefallen könnte.

Wir sollten Kirchen nicht zu Eventlocations degradieren.

(Die Autorin, Margot Käßmann, war u. a. Landesbischöfin der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers (1999–2010) und Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (2009–2010).)

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