Ein von der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) beauftragtes unabhängiges Forscherteam hat am 25. Januar in Hannover seine Studie zum Ausmaß sexuellen Missbrauchs in der evangelischen Kirche und der Diakonie vorgestellt. Ein Blick in die Berichterstattung verschiedener Tageszeitungen
„Mit den jetzt bekannt gewordenen Zahlen kann sich die EKD nicht mehr hinter der katholischen Kirche verstecken. Jahrelang hatten sich protestantische Würdenträger herausgeredet, dass Fälle, wie sie seit 2010 in katholischen Einrichtungen offenbar wurden, bei ihr nicht vorkommen können. Angesichts des Ausmaßes von Machtmissbrauch ist das Bild des grundsätzlich vertrauenswürdigen evangelischen Pfarrers schwer aufrechtzuerhalten.“ – Die Tageszeitung („taz“)
„Die evangelischen Kirchenleitungen haben sich, falls sie in einem konkreten Fall mit dem unangenehmen Thema konfrontiert wurden, allzu gern hinter den komplexen föderalen Strukturen verschanzt, die sie selbst geschaffen haben und weiter aufrechterhalten. Es ist ein Armutszeugnis für die evangelische Kirche, dass sich diese Haltung, wie die zögerliche Bereitstellung von Akten zeigt, bis in die Ge¬genwart zieht. Die Folge wird sein, dass die evangelische Kirche beim Thema sexualisierter Gewalt noch auf Jahre unter scharfer gesellschaftlicher Beobachtung stehen wird und auch weiter an Vertrauen in der Bevölkerung verliert.“ – Frankfurter Allgemeine Zeitung
„Diese Studie wird das Selbstverständnis vieler Protestanten erschüttern. Sie ist ein Schock. Wenn die Verantwortlichen die richtigen Schlüsse ziehen, könnte er sich als heilsamer Schock erweisen.“ – Neue Osnabrücker Zeitung
„Wie bei den Katholiken versuchten viele Obere in der Kirche Luthers im Umgang mit solchen Fällen zuerst die Kirche zu schützen – und nicht die ihnen anvertrauten Kinder. Es steht nun die Frage im Raum, wie die EKD mit den Ergebnissen umgehen wird. Bislang haben die Führungskräfte bei der Aufarbeitung sexualisierter Gewalt und im Umgang mit Betroffenen versagt.“ – Mitteldeutsche Zeitung (Halle)
„Vor der Studie waren immerhin schon zwei hohe leitende Kirchenleitende zurückgetreten. Danach kann es sogar weitere geben, die es trifft. Sogar die amtierende Ratsvorsitzende Kirsten Fehrs muss sich der Vorwürfe erwehren, Fälle von Missbrauch nicht richtig behandelt zu haben. Betroffene sind bis heute unglücklich mit ihrer Arbeit als Beauftragte.“ – Tagesspiegel (Berlin)
„Die Evangelische Kirche in Deutschland hat nicht nur sehr lange abgewartet, bis sie dem Umfang des Grauens in den eigenen Reihen wissenschaftlich nachgegangen ist. Sie hat auch Zweifel geweckt, dass sie es mit ihrem Transparenzversprechen wirklich ernst meint. Denn nur eine von 20 Landeskirchen sah sich in der Lage, die von den Wissenschaftlern angeforderten Daten aus Personalakten zu liefern.“ – Ludwigsburger Kreiszeitung
„In fast allen Archiven konnten die Wissenschaftler wohl nur auf die Disziplinarakten, nicht aber auf die umfassenderen Personalakten zurückgreifen. Ohne Blick in die Personalakten kann das Dunkelfeld aber nicht aufgehellt werden. Der Ruf, dass die staatliche, unabhängige Justiz sich des Themas annehmen muss, ist unüberhörbar: Die Studie zeigt erneut, dass Institutionen, die selbst zu Täterorganisationen geworden sind, mit der Aufarbeitung heillos überfordert sind.“ – Schwäbische Zeitung